BESPRECHUNGEN VON OSTMETAL-TONTRÄGERN |
DRITTE WAHL (diverse Produktionen, 1992-2010) |
Mittlerweile ist es sogar für mich nicht mehr so einfach nachzuvollziehen, was die Band über die Jahre alles so veröffentlicht
hat. Mal davon abgesehen, daß die Jungs ihr eigenes Label haben und dort noch Sachen von anderen Bands erscheinen, möchte ich
mich hier zumindest auf die wichtigsten Scheiben beschränken. Einen vollständigen Überblick kann man sich auf der Homepage
oder andernorts im Internet verschaffen. Gehen wir also relativ chronologisch vor, wobei das nicht so stringent eingehalten
werden kann, aber lese und staune man selbst. CD "Fasching in Bonn" (Amöbenklang 1992): Die erste richtige Platte beziehungsweise Veröffentlichung war die "Fasching in Bonn", welche gleich mit einem aussagekräftigen Titelsong aufzuwarten hatte. Jaja, das waren noch Zeiten. Räudiger, nicht so perfektionistisch aufgenommener Deutsch-Punk mit aussagekräftigen Texten, welche einem auch mal eine Träne ins Auge zauberten ("Konvoi des Todes"). Eine ehrliche Platte, die ich jedem Punk-Liebhaber ans Herz legen würde. CD "Auge um Auge" (Amöbenklang 1994): Diese Platte ist um ein Stück besser als der Vorgänger und nach wie vor mein absoluter Favorit, wenn man sich mehr für die Punk-Sachen von DRITTE WAHL interessiert. Unbedingt sollte man sich "Warum" anhören. Auch "Schlaflied" weiß in seiner balladesken Form zu überzeugen. Politisch ist die Platte eindeutig einzuordnen und dürfte wesentlich zur links-politischen Erziehung von Generationen beigetragen haben (hüstel). Hier wird nicht lange mit zungenbrechenden Formulierungen gehadert, sondern der Fisch auf's Schneidebrett gepackt! Split-EP DRITTE WAHL / DÖDELHAIE (Impact Records 1995): Für Sammler ein Muß. "Schaum auf der Ostsee" ist ein klasse Song und der Rest geht auch so. Für den "normalen" Musikhörer dürfte die Platte nicht so relevant sein. CD "Nimm Drei" (Amöbenklang 1996): Hier handelt es sich um die erste eigentliche Platte von DRITTE WAHL, welche mit Anleihen aus dem Metal- und Die Hard-Bereich aufwartet. Ungelogen, aber diese Platte kann man bedenkenlos mehrmals hintereinander abspielen ohne gelangweilt zu sein! Schon der erste Song "Rausch" knallt derart durch die Gehirngänge, daß man erst bei Bertolt Brechts "Resolution der Kommunarden" zum Entspannen kommt! Gute Texte und eine mordsmäßige Geschwindigkeit. Hier werden keine Gefangenen gemacht. CD "Strahlen" inklusive EP "Hallo Erde" (Rausch Records 1998): Nicht nur aufgrund eines gewissen zeitlichen Abstands zur Vorgänger-Platte eine deutliche Weiterentwicklung, sondern – wenn ich mal so sagen darf – die erste Platte, bei der ein neuer Kurs der Band zu erkennen war. Wenn man sich DRITTE WAHL insgesamt anschaut, erkennt man, daß diese Platte den neuralgischen Punkt in der Band-Entwicklung markiert, denn so kann man sie heutzutage immer noch erleben. Das ist weder Punk noch Metal, das sind DRITTE WAHL! CD "Delikat – 11 Jahre Bühnenjubiläum 88-99" (Rausch Records 1999): Ein gelungener Rückgriff auf die alten Tage, der jedoch aufgrund des Sound-Unterschieds zu den neuen Platten ungewöhnlich ist. Lieder wie "NVA" und "Bunker" lassen einen gut die "guten alten realsozialistischen Zeiten" nachvollziehen. Punkig, frisch und frech. Die limitierte Version enthält noch zwei Videos, was ich aber gerade nicht überprüfen kann. EP "Heimspiel" vom KOLLEKTIV HEIN BUTT (Dröhnland 2000): Nicht unerwähnt soll dieses Konvolut aus Musikstücken der Rostocker Musiker bleiben. Das Ganze ist mehr oder weniger dem "Fußballfans gegen Rassismus"-Gedanken entsprungen und eine kleine Huldigung an den FC Hansa Rostock. Die KISS-typische Bemalung im Inlay der CD ist auch lustig anzuschauen! CD "Halt mich fest" (Rausch Records 2001): Richtig DRITTE WAHL-typisch ging es dann mit der "Halt mich fest"-CD weiter. Großes Kino und sozialkritische Texte in gewohnter Art hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Auch schön ist der Bonus bei der Limited Edition "Schreie hinter Glas", welcher original von der "Auge um Auge"-Platte stammt. Sowohl der Titelsong als auch "Dummheit kann man nicht verbieten" sind absolute Klassiker im Werkeln von DRITTE WAHL und sollten unbedingt beachtet werden! CD "Die sonderbare Tape-CD" (Rausch Records 2002): Mehr oder weniger eine Wiederveröffentlichung der beiden ersten Demos von vor 1992. Die Qualität ist nicht so berauschend, aber ein nettes Zeitdokument. Live-CD "Roggen Roll" (Rausch Records 2002): Live-CD vom Mühlenfest in Altkalen. Aufgenommen von Dirk Grabow (wem sonst?) und abgemischt im bis dahin bewährten "Whiteline-Studio" in Braunschweig. Ich persönlich finde Live-Platten immer ein gewagtes Unterfangen. Mir sagt das nicht so zu, aber die Live-Platten erfreuen sich bei einigen Leuten großer Beliebtheit. Live-CD "Meer Roggen Roll" (Dritte Wahl Records 2003): Fortsetzung vom selben Konzert und mit mehr älteren Liedern. Nette Gestaltung und für Sammler wahrscheinlich unentbehrlich. CD "Tooth For Tooth (Dritte Wahl Records 2004): Zwölfmal Lieder in englischer Sprache. Eines davon nicht von DRITTE WAHL, sondern von THE VIBRATORS ("Troops Of Tomorrow"). 2CD "Fortschritt" (Dritte Wahl Records 2005): Absolut hörenswerte Platte, die nur so vor Energie strotzt und die Texte gehen wie gewohnt unter die Haut. Leider konnte Busch'n die Veröffentlichung dieser Platte nicht mehr erleben. Als Bonus gibt es noch den Soundtrack zum Film "Wenn man ein Schiff hat...". "Auf der Flucht" ist eine eher ruhige Ballade auf Busch'n, welche in der Mitte der Platte angesiedelt ist. Danach geht es dann wie gewohnt knüppelhart weiter. Natürlich wird auch aalglatt mit dem politischen System der BRD und seiner Scheinheiligkeit abgerechnet: "Rastermann". Kritisiert wird aber auch die zunehmende Verdummung im/in "Fortschritt". So was könnte auch von NAPALM DEATH sein - zumindest inhaltlich. CD "Gib Acht!" (Dritte Wahl Records 2010): So, zu guter Letzt noch zum aktuellen Output der Rostocker. Diese Scheibe wurde von mir bereits ausführlich im "Fatal Underground"-Heft Nummer 35 besprochen. Auch hier bekommt man deftiges Allerlei auf den Tisch gepackt, ohne auf Inhalt verzichten zu müssen. Ich frage mich zwar schon die ganze Zeit, warum ein Schlager wie "Mama hol den Hammer" auf der Platte drauf ist, aber auf der anderen Seite finde ich "Danke" sehr gelungen und das ist absolut Popmusik! Aber was soll's, Musik muß gefallen und bei DRITTE WAHL habe ich immer noch den Eindruck, daß sie ihr Ding durchziehen, ohne sich zu verkaufen. Und so würde ich auch gerne meine kleine Platten-Rezension schließen. DRITTE WAHL spielen und spielten raue, punkige Musik, die verdammt knallhart aber auch emotional sein kann, ohne auf eine gewisse Aussage zu verzichten: Die Welt ist manchmal nicht optimal, aber man kann täglich versuchen, es zu ändern. Und deshalb ziehe ich diese Band nach wie vor irgendwelchen Frankfurter Bands vor, die oft nur mit dem Strom geschwommen sind, 'rumgeningelt haben und versuchten, sich als Opfer vermeintlicher Presse-Organe zu stilisieren. Deutschsprachiger "Metal-Punk"? Ja, aber mit Niveau! (Text: Fidel, Bilder: Amöbenklang, Rausch Records, Dritte Wahl Records) |