BESPRECHUNGEN VON OSTMETAL-TONTRÄGERN


DEFCON (diverse Eigenproduktionen, 1988-1998)

Die beiden Multi-Instrumentalisten Jens Busch und Thomas Schwalowsky traten mit ihrem reinen Studioprojekt DEFCON, welches in Potsdam gegründet wurde, erstmals im Jahre 1988 in Erscheinung, als der selbstproduzierte Titel "Future Cries" in der "Tendenz Hard bis Heavy" für Furore sorgte. Ihr sehr technisch angehauchter Thrash Metal, der stellenweise durchaus ein wenig an Bands wie SIEGES EVEN, VOIVOD, WATCHTOWER oder MEKONG DELTA erinnerte, war in der damaligen DDR eher ungewöhnlich, da sich der Großteil der musikalischen Prügel-Barden eher an Bands der Marke KREATOR, SLAYER oder METALLICA orientierte.
Im Jahre 1989 folgte das erste Demo "Made in GDR", welches mit seinen knapp zwanzig Minuten und einer für damalige Verhältnisse sehr guten Produktion überzeugen konnte. Man verfolgte konsequent den Weg, den man mit "Future Cries" eingeschlagen hatte und schuf mit den fünf auf der Kassette enthaltenen Eigen-Kompositionen ein abwechslungsreiches musikalisches Kunstwerk, welches mich auch heute noch begeistern und fesseln kann. Stakkato-Riffs wechseln sich ab mit atmosphärischen Parts und Akustik-Einlagen, aufgelockert mit durchdachten Überleitungen. Keiner der einzelnen Songs wirkt unüberlegt oder gekünstelt, sondern obgleich seiner Komplexität in sich geschlossen und gekonnt arrangiert. Da stört es auch nicht sonderlich, daß der Gesang von Herrn Busch mit obengenannten hörbaren Einflüssen schwer mithalten kann, denn die Musik bietet genügend Facetten, um dieses Manko auszugleichen.
Nachdem man aufgrund des eigenständigen Stils auch Hörer im kapitalisti-schen Ausland begeistern und über steinige Umwege sogar Kontakte zu "Wild Rags Records" oder Alan Tecchio von WATCHTOWER knüpfen konnte, schmiedete man Pläne bezüglich einer LP-Produktion, die jedoch an verschiedenen Faktoren (in erster Linie der kommunistischen Kulturpolitik) scheiterte und leider niemals realisiert wurde.
Nach der Wende produzierte man in Zusammenarbeit mit dem Rundfunk der DDR einige Titel, die in erster Linie zur Ausstrahlung in diversen Radio-Sendungen gedacht waren, bevor man sich im Juni 1990 dazu entschloß, die LP "Suicide", welche unveröffentlichtes Material aus den Anfangstagen der Band enthält, als kleines Dankeschön an die Fans zu veröffentlichen. Das Album enthält insgesamt sechs Songs, wobei hier neben den Killer-Tracks "Voice Of Greed" oder "Charon", das über sechzehnminütige "Suicide" genannt werden soll, welches zu keinem Zeitpunkt langweilig oder konstruiert wirkt, sondern ähnlich wie beim ersten Demo auf ein ausgeprägtes musikalisches Verständnis der beiden Komponisten schließen läßt. Leider kann sich die Produktion nicht mit anderen (internationalen) Veröffentlichungen aus dieser Zeit messen, da der eingesetzte Drumcomputer stets dafür sorgt, daß der Klang der gesamte Scheibe recht steril und leblos tönt, was allerdings nicht die Qualität der Musik schmälern soll, die uns hier um die Ohren fegt.
Nachdem einige Jahre Funkstille um DEFCON war beziehungsweise man teilweise unter dem neuem Namen CHOR CHOREA in alter Manier weiter musizierte, erschien 1998 recht überraschend eine CD-R mit dem Titel "Voice Of Greed", die einen gelungenen Querschnitt über das Vermächtnis der Band bot und neben einigen Songs des Demos auch unveröffentlichte Demo-Aufnahmen oder Radio-Versionen beinhaltete. Mit insgesamt acht Beiträgen kann man jedoch nicht das gesamte Schaffen einer Gruppe rückwirkend betrachten, die mehrere Jahre aktiv war, darum wäre ein Gesamtwerk (Demo, LP und alle weiteren Produktionen) in Form einer Doppel-CD sicher angemessener gewesen, als den Fans diesen vierzigminütigen Appetit-Happen in hausgebackener digitaler Form vor den Latz zu knallen. Für Neueinsteiger und Interessenten, denen die Band bisher nur vom Hörensagen ein Begriff war, ist diese Zusammenstellung allerdings eine nette Kurzweil.
Leider ist es nach dieser Veröffentlichung sehr ruhig um DEFCON geworden und die wenigen Werke, die uns die Jungs hinterlassen haben, sind mittlerweile schwer zu bekommen. Mit ein wenig Glück greift man auf diversen Börsen zufällig mal ein Exemplar der "Suicide"-LP ab (die ich Freunden progressiver Thrash-Klänge anstandslos empfehlen kann), die Demo-Aufnahmen hingegen waren eine Zeit lang auf der mittlerweile stillgelegten, bandeigenen Internet-Seite als CD-R erhältlich.
Bleibt zu hoffen, daß wir irgendwann mal in den Genuß kommen werden, alles auf einer einzigen Veröffentlichung in die heimische Sammlung stellen zu können.

(Text: Engel, Bilder: bandeigene Promotion)
 
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