BESPRECHUNGEN VON OSTMETAL-TONTRÄGERN


MOSHQUITO (diverse Demos, Eigenproduktion, 1987-1991)

Beinahe ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit ich im zarten Alter von dreizehn Jahren meinem ersten Metal-Konzert beiwohnen durfte. Ich erinnere mich noch genau an dieses legendäre Wochenende, an dem neben den sächsischen Thrashern MOSHQUITO auch die kultigen BIEST aus Jüterbog auftreten sollten, jedoch aufgrund einer Autopanne auf dem Weg nach Pößneck/Schlettwein kurzfristig absagen mussten, woraufhin NOBODY den fehlenden Platz einnahmen (die allerdings keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterließen).
Knapp dreiundzwanzig Jahre später darf ich nun auf das Schaffen der Band um Gründungsmitglied Ingo “Igor“ Lohf zurückblicken und meinen Senf zu den alten Veröffentlichungen loswerden, die für mich nach wie vor zu unerreichten Meilensteinen der DDR-Metalszene gehören.
Beginnen möchte ich mit dem Debüt-Demo ”No Back To Inferno“, welches zwar noch unter dem alten Namen ARGUS eingespielt, aber erst nach dem Verbot der Band und der Quasi-Neuformierung unter dem Namen MOSHQUITO herausgebracht wurde. Nach einem kurzen Instrumental-Intro, bei dem schon kräftig die Thrash-Harke herausgeholt wird, knallt einem ”Violence Of Evil“ förmlich um die Löffel, daß einem Angst und Bange wird. Für mich bleibt aus heutiger Sicht unverständlich, warum man sich anno 1987 nach Musik aus dem kapitalistischen Ausland gesehnt und die Bands im eigenen Lande vernachlässigt hat, wenn es doch vor der eigenen Haustüre Gruppen gab, die einige Vertreter aus der BRD, England oder den USA locker in den Sack gesteckt haben – sowohl, was die songschreiberische Qualität, als auch die Produktion des Tonträgers betrifft. Unglaublich, daß vorliegende Aufnahme mit einem Vierspur-Kassettenrecorder angefertigt wurde, denn auch im Jahre 2011 kann sich ”No Back To Inferno“ noch mit Kult-Scheiben bekannter Thrash-Bands aus den Achtziger Jahren, die bei uns nur als teurer Ungarn-Import oder auf polnischen Raubkopien im Kassetten-Format erhältlich waren, messen.
Musikalisch orientiert man sich auf dem Erstlingswerk an Größen wie beispielsweise EXODUS, SLAYER oder RAZOR. Der Gesang von Olli Hippauf, der den meisten Lesern als aktueller Frontmann der Erfurter MACBETH bekannt sein dürfte, macht hier aus seiner Vorliebe für Paul Baloff keinen Hehl und gröhlt sich kraftvoll in bester EXODUS-Manier durch die sechs Songs.
Mit ”Saufen schmeckt gut“ und “Penny Lane“ befinden sich neben den sehr ernsten und hervorragenden Kompositionen auch zwei Spaß-Nummern auf dem Demo, die man getrost hätte weglassen können, aber am Ende keinem weh tun (zumal der erstgenannte Song gerade mal eine Minute dauert und die BEATLES-Coverversion recht gut umgesetzt wurde).
Alles in allem gibt es hier knapp achtzehn Minuten feinsten Thrash Metal, wie er im damaligen Arbeiter- und Bauernstaat neben einigen wenigen weiteren Vertretern, die diesem Stile fröhnten, nur selten dargeboten wurde.
Im Jahre darauf machte man sich an die Aufnahmen für das zweite Demo mit dem Titel ”Mosh In Moscow“, das Anfang 1989 veröffentlicht wurde. Während man sich musikalisch weitestgehend treu geblieben war, jedoch den Fuß ein wenig vom Gaspedal nahm, um fortan technisch-versierter zu Werke zu gehen, holte man sich mit Benjamin Müller einen neuen Sänger ins Boot, der Herrn Hippauf wegen seines “Ehrendienstes” bei der “Nationalen Volksarmee” ersetze.
Daß ein Sängerwechsel meist von Nachteil für die jeweilige Band sein kann, beweist dieses Beispiel recht deutlich, auch wenn der neue Schreihals nicht wirklich schlecht war – aber eben komplett anders. Während Olli mit einer sehr druckvollen und rauen Stimme überzeugen konnte, versuchte ”Benny“, wie er in vertrauten Kreisen genannt wurde, sich eher an Formaten wie METALLICA oder SLAYER zu orientieren. Leider fehlte seinem Organ ein wenig Fülle und Aggression, um die vorliegenden sechs Eigenkompositionen (plus BLACK SABBATH-Coverversion) eindrucksvoll umzusetzen, dennoch macht Benjamin auf ”Mosh In Moscow“ eine recht gute Figur und singt sich ohne tonale Schnitzer oder andere Peinlichkeiten durch die knapp achtzehn Minuten. Hätte er auf den Aufnahmen nur halb soviel Gas gegeben wie zu diversen Live-Konzerten, denen ich beiwohnen durfte, wäre das Demo noch einen Zacken schärfer und härter. Aber im Großen und Ganzen liegt mit dem zweiten Werk der Sachsen ebenfalls eine überdurchschnittliche Veröffentlichung aus der DDR vor, die ebenfalls mit rudimentären Equipment produziert wurde und, wie das Debüt, gleichermaßen mit einer hervorragenden Produktion aufwarten kann.
Nach dem Fall der Mauer bekam die Band einen Plattenvertrag bei WEST VIRGINIA RECORDS angeboten und machte sich voller Eifer und Motivation an die Aufnahmen der geplanten LP ”Only Death Is For Nothing“. Leider zerschlug sich die anfängliche Euphorie sehr bald, denn besagtes Label zeigte keine ernsthaften Absichten, die frisch unter Vertrag genommene Band ins Studio zu schicken oder in irgendeiner Art und Weise zu fördern. Schlußendlich landeten die neun Eigenkompositionen in erneut veränderter Besetzung (für Gesang und Bass war fortan Andrè Nebel zuständig) auf einer handvoll Kassetten, die an einige Freunde, Bekannte oder Radio-Stationen weitergegeben wurden.
Das dritte Demo, welches wie die beiden Vorgänger-Veröffentlichungen ebenfalls in englischer Sprache dargeboten wurde, fiel etwas heftiger aus als ”Mosh In Moscow“ und auch die Stimme von Herrn Nebel besann sich wieder auf alte Werte der Band: Brutaler Thrash Metal, angereichert mit ein paar technischen Spielereien, bei dem eine Weiterentwicklung durchaus hörbar war. Einzelne Songs herauszuheben fällt schwer, aber von schnellem Geballer bis zu groovigen Songs ist auf ”Only Death Is For Nothing“ alles vertreten, um die knappe halbe Stunde Hörvergnügen wie im Fluge vergehen zu lassen. Als etwas störend hingegen empfinde ich den Drumcomputer, der allerdings im Einleger verschwiegen wurde...
Fazit: Allein schon aus nostalgischen Gründen gebe ich den ersten beiden Veröffentlichungen ganz klar den Vorrang, auch wenn sich das 1991er Teil nicht unbedingt hinter seinen Vorfahren zu verstecken braucht. ”No Back To Inferno“ ist und bleibt wohl eine der besten Thrash Metal-Kasset-ten, die jemals in der ehemaligen DDR (oder sogar in Gesamtdeutschland???) produziert wurden.
Vor Kurzem erscheinen die ersten beiden Demos bei “German Democratic Recordings”, angereichert mit zwei seltenen Live-Aufnahmen von 1987, auf Vinyl. Die Aufnahmen stammen von den Original-Master-Kassetten und wurden professionell aufbereitet und dürften in vorliegender Klang-Qualität die mit Abstand beste Veröffentlichung des kleinen Labels, welches sich ausschließlich auf Metal-Bands aus der DDR konzentriert, darstellen. Fans und Sammler sollten schnell zugreifen, da die LP auf nur fünfhundert handnummerierte Exemplare limitiert ist!!! (Text: Engel, Bilder: bandeigene Promotion, German Democratic Recordings)

(Text: Engel, Bilder: bandeigene Promotion, German Democratic Recordings)
 
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